Wahlkampf mit Gendersprache

Wahlkampf mit Gendersprache

“Die CDU löst hier ein Problem, das es überhaupt nicht gibt. Sie macht hier wirklich ein Wahlkampftheater, und ob die Gesellschaft, in die sie sich damit begibt, wirklich empfehlenswert ist, möchte ich sehr infrage stellen.” Mit diesen Worten kommentierte Ina Czyborra einen Antrag der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, der den Berliner Hochschulen unterstellt, der Nichtgebrauch gendergerechter Sprache würde Studierende bei Studien- und Prüfungsleistungen benachteiligen. Die Regierungsfraktionen stellten dagegen klar, dass gendersensible Sprache an den Hochschulen nicht verpflichtend sei, und es auch keinen einzigen erfolgreichen Klagefall in Berlin zu dem Thema gebe.

In ihrer Plenarrede am 17. Juni 2021 ging Ina Czyborra allerdings auf das Verhältnis von Wissenschaft und Sprache ein: “Dass Sprache bei der Benotung wissenschaftlicher Arbeiten keine Rolle spielt, ist grundsätzlich eine ziemlich absurde Annahme, denn es geht natürlich in der Wissenschaft permanent um Sprache. Es gibt viele Gründe, Arbeiten gut oder schlecht zu bewerten, und die Sprache ist selbstverständlich ein Kriterium”, sagte sie. Und weiter: “Ich glaube, dass sehr viel mehr Studierende in diesem Land darunter leiden, dass sie nicht aus einem hochgebildeten Haushalt kommen und vielleicht die Sprache der Gebildeten nicht so sprechen, wie es an der Uni gern gehört wird, und deswegen ein Problem haben. Angst vor Gendersprache ist mir noch nirgends begegnet. Das Problem scheinen mir hier doch eher Klassismus und viele andere Diskriminierungsstrukturen zu sein als Angst vor dem Gendern.”

Sie wundere sich über die Begründung des Antrages, “dass die Sprache verständlich sein soll, allgemein zugänglich usw. Von einer Fraktion, in der ganz viele Juristen sitzen, finde ich diese Forderung an Sprache in einem Fach, in einer Wissenschaft schon etwas absonderlich”. Tatsächlich sei es doch so, “dass es Fachsprachen gibt, die zu beherrschen sind. Wenn ich Genderwissenschaften studiere, dann muss ich dort auch eine Fachsprache beherrschen, das ist wohl völlig klar, wie jede andere Sprache auch. Ansonsten gehört die eigene Sprache jedem Einzelnen. Sie ist Teil unserer Identität. Sie sagt viel über uns aus. Wir können mit der Sprache spielen. Wir können uns Sprache aneignen. Wir können Sprache verändern.” Sprache verändere sich permanent, viele der aktuell benutzten Vokabeln wären vor 20 Jahren noch nicht üblich gewesen. “Ich kann nur sagen: Hören Sie mal der jüngeren Generation zu, wenn Sie etwas lernen wollen, wie sich Sprache verändert. In diesem Sinne: leider wirklich im Trüben gefischt. Eigentlich beleidigen Sie nicht unsere Intelligenz, sondern die eigene.”

Die komplette Plenarrede von Ina Czyborra am 17.06.2021 ist im rbb-Archiv zu finden.

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