Hochschultour Teil 3: HU Berlin

Hochschultour Teil 3: HU Berlin

Der dritte Teil meiner Hochschultour 2022 fand am 16. November in Form eines Besuches an der Humboldt-Universität zu Berlin statt. Zum Auftakt konnte ich mir in Adlershof einen guten Überblick über die letzten Entwicklungen und Perspektiven vor Ort verschaffen. Mit über 6.000 Studierenden hat sich der Campus Adlershof in den vergangenen 20 Jahren zu einem wichtigen und erfolgreichen Wissenschaftsstandort entwickelt.

Jüngster Zuwachs ist das im Oktober eröffnete IRIS, das Integrative Research Institut of Science, wo fächerübergreifende Spitzenforschung und Nachwuchsförderung in Bereichen der Hybridsystemen von Optik und Elektronik und der Quantenphysik stattfindet.

Prof. Emil List-Kratochvil und Prof. Dr. Stefan Hecht führten mich durch die technischen Labore und präsentierten spannende Einblicke in die Welt der Erforschung von hybriden Materialien an den theoretischen Grenzen des Machbaren, für die Anwendungen in der Sensortechnik, Photovoltaik und Optoelektronik.

Im gemeinsamen Gespräch mit dem Geschäftsführer des Instituts, Dr. Nicolai Puhlmann und weiteren Professor*innen der Chemie, Physik und Mathematik tauschten wir uns über die herausragende Bedeutung und daraus resultierende Chancen aus, die der Technologiepark Adlershof für den Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Berlin bieten. Adlershof ist ein Paradebeispiel dafür, wie die räumliche Nähe von Wirtschaft und Wissenschaft den Wissenstransfer verstärkt und das ideale Umfeld für Innovation und Wachstum schafft. Adlershof stärkt zudem als zentraler Punkt auf der Achse Berlin-Cottbus auch den Wissenschaftsraums Berlin-Brandenburg. Längst wird nicht nur im Umland gewohnt und in die Stadtmitte zur Arbeit gependelt, sondern Arbeiten und Wohnen finden zunehmend neue, attraktive Bedingungen im Raum zwischen Berlin und Cottbus.

Als nächstes besuchte ich Präsidentin Prof. Dr. Julia von Blumenthal und sprach ich mit ihr über die aktuellen Auswirkungen der Energiekrise und die notwendigen Energieeinsparmaßnahmen. Wie auch bei meinen Besuchen der Freien Universität und Technischen Universität betonte auch die Humboldt Universität, dass zahlreiche Maßnahmen bereits umgesetzt wurden, um die Kostensteigerungen zu begrenzen, aber die Hochschulen auf finanzielle Unterstützung des Senats angewiesen sind, um diese Ausgabensteigerungen leisten zu können.

Die Vertreter*innen des Mittelbaus Dr. Constanze Baum und Dr. Henning Füller präsentierten mir das „2-Pfade-Plus- Modell“ – ein Konzept der HU, um die der im Juli durch das Abgeordnetenhaus beschlossene Neuregelung für unbefristete Postdoc-Stellen (BerlHG, §110 Abs.6) umzusetzen. Meine SPD-Fraktion und ich setzten uns mit dieser Gesetzesnovelle dafür ein, die prekäre Situation hochqualifizierter Wissenschaftler*innen in fortwährenden Kettenverträgen (#IchbBinHanna) zu durchbrechen und faire Beschäftigungsbedingungen und planbare Karrierewege zu ermöglichen. Im Kern schlägt das Modell zwei Karrierepfade für promovierte Wissenschaftler auf haushaltsfinanzierten Stellen vor.

Abbildung von Henning Füller: 2-Pfade-Plus-Modell
https://jule-specht.de/2022/10/18/einstieg-in-eine-moderne-personalstruktur/

Ein Pfad ist der bereits etablierte Weg der Junior Professur beziehungsweise der Tenure-Track Professur und ein zweiter, neuer Pfad ist der des wissenschaftlichen Mitarbeiters (Postdoc) auf einer Dauerstelle mit dem vereinbarten Ziel einer Qualifizierung als Researcher oder Lecturer. Mit dem Model steht ein überzeugender Vorschlag zur Umsetzung der wichtigen Novelle des Hochschulgesetzes zur Verfügung, der mit allen beteiligten Statusgruppen zusammen ausgearbeitet worden ist, finanzierbar und rechtssicher erscheint und verspricht, Berlin attraktiv für exzellente Wissenschaftler*innen zu machen. Jetzt gilt es, für eine Umsetzung des Models vor Ablauf der Übergangsfrist im nächsten Jahr die verwaltungsrechtlichen Schritte auf den Weg zu bringen.

Im folgenden Gespräch mit Prof. Dr., Steffen Mau von der Politikwissenschaft wurden auch die Herausforderungen deutlich, in den Geisteswissenschaften eine exzellente Sozialwissenschaft zu gewährleisten. Der Aufwuchs bei den Studierendenzahlen von 40% in den vergangenen Jahren bei stagnierenden Finanzmitteln behindert eine gute Betreuungsqualität. Die Regulierungen in der Kapazitätsverordnung erschweren S-Professuren, d.h. Kooperationen mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen) sowie Kooperationen durch externe Lehre und Co-Lehre mehrerer Dozenten in einer Veranstaltung. Die Diskrepanz zwischen Schul- und Semesterferien ist zudem eine Belastung für Hochschulpersonal mit Kindern.

Ein weiteres, sehr informatives Gespräch war das Treffen mit Prof. Dr. Stephan Breidbach, Direktor der Professional School of Education (PSE) und Vertreter*innen aus der Lehre, Studierendenschaft und Studienorganisation der Lehrkräftebildung. Ein bekanntlich drängendes Problem sind die fehlenden Räumlichkeiten. Die bessere Ausstattung mit Räumen ist dringend notwendig, um gute Studienbedingungen zu gewährleisten. Angemietete Räume sind nicht nur finanzpolitisch fatal, sondern die weiten Wege stellen im eng getakteten Studientag Studierende und Mitarbeiter*innen vor Herausforderungen. Um die weitere Entwicklung der Lehrkräftebildung an der Humboldt-Universität zu verstetigen, müssen die zusätzlichen Finanzmittel ebenfalls verstetigt werden, nur so lässt sich ein funktionierender Lehrbetrieb dauerhaft sicherstellen. Im Nachtragshaushalt konnte dies mit der Verpflichtungserklärung für die Jahre 2024/25 erreicht werden.

Aber auch über diese bekannten Baustellen der Lehrkräftebildung hinaus war der Dialog mit den Vertreter*innen sehr offen für viele Fragen der Lehrkräftebildung. Welche Schritte sind noch möglich und nötig, um das Studium attraktiv für Studierende, qualitativ und erfolgreich zu gestalten? Wie lässt sich die „Mathematikschwäche“ unter deutschen Studierenden kurieren und wieviel Mathematik muss ein Grundschullehrer überhaupt können? Vermittelt ein Bachelor of Education genug pädagogische Fachkenntnisse? Wie lassen sich neue pädagogische Ansätze an die Schulen in der Praxis erproben? Laborschulen beziehungsweise Ausbildungsschulen könnten hier eine wesentliche Aufgabe übernehmen. Auch Verringerungen bei der Stundentafel können das Schulsystem entlasten.

Zum Schluss des Besuches der Humboldt-Universität im Rahmen meiner Hochschultour 2022 informierte mich die zentrale Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte, Dr. Ursula Fuhrich-Grubert, über aktuelle Projekte und Förderstrukturen. So behandelt ein Theaterstück das Thema der Gender-Gewalt. Mit METIS steht ein Informationsportal zum Themenfeld der Geschlechtergerechtigkeit, Familienfreundlichkeit und Geschlechterforschung (www.metis.hu-berlin.de) zur Verfügung. Das Marga Faulstich Förderprogramm unterstützt Gründerinnen durch Workshops, Mentoring, Gründungsberatung und Vernetzung. Zugleich gibt auch hier wichtige Entwicklungen, die vorangebracht werden müssen, um die Arbeit der Zentralen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten stärker mit der Arbeit des Familienbüros und Diversity-Beauftragten zu verbinden und von der der Stabsstelle in die einzelnen Institute hinein umzusetzen.

Den Abschluss des Tages bildete die festliche Verleihung der Caroline von Humboldt-Professur 2023 und des Caroline von Humboldt Preises 2023 an die Juristinnen Prof.in Dr.in Anna-Bettina Kaiser zu ihrer Forschung zum Thema Ausnahmeverfassungsrecht und Dr.in Corinna Coupette für ihre interdisziplinäre und wegweisende Forschung der datengetriebenen juristischen Netzwerkforschung.

Der Besuch an der HU verdeutlichte erneut: Gute Forschungs- und Studienbedingungen machen Berlin attraktiv für die Ansiedlung von Wirtschaftsunternehmen und für die Startup-Gründung. Dieser Erfolg ist aber nicht gegeben, sondern muss durch die politischen Entscheidungen weiter gesichert und gefördert werden. Berlin muss für junge Menschen bezahlbar und attraktiv bleiben, um im internationalen Wettbewerb nicht an Attraktivität verliert. Dazu zählt neben der weiteren Verbesserung der Verkehrsanbindung durch den ÖPNV auch der Ausbau flexiblen studentischen Wohnens und die Vereinbarkeit von Familie und Forschung durch gute Kinderbetreuung. Wissenschaft ist ein wesentlicher Motor für Fortschritt und Wachstum! Investitionen in die Wissenschaft führen zu vierfachen Renditen, Wissenschaft bildet Fachkräfte aus, macht Grundlagenforschung, findet Antworten auf drängende Fragen und schafft Arbeitsplätze!

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